Anfang

Wir starten diesen Kurs mit einer wichtigen Frage:

" Was stelle ich mir unter künstlicher Intelligenz vor? "

Den meisten Menschen ist der Begriff Künstliche Intelligenz oder kurz KI bekannt. Wir kennen ihn aus Internetbeiträgen, Nachrichtenartikeln, Videos, Filmen, usw. Viele von uns können Beispiele von KI nennen: Roboter, Spracherkennung, intelligente Empfehlungen auf Webseiten, …

Über diese Berührungspunkte hat jeder von uns eine individuelle Vorstellung von KI. Aber welche Vorstellungen entsprechen der Realität und welche nicht?

In diesem Kapitel werden wir uns zunächst anschauen, wie KI häufig in unseren Vorstellungen aussieht. Außerdem werden wir anhand von Beispielen aus dem Bereich Lehren & Lernen feststellen, dass einige dieser Vorstellungen möglicherweise nicht ganz der Realität entsprechen. In den folgenden Kapiteln werden wir dann genauer darauf eingehen, wie KI funktioniert, was für Möglichkeiten und Grenzen KI hat und wie wir KI sinnvoll in der Lehre und zur Unterstützung von Lernen einsetzen können.

Berührpunkte mit KI

Sucht man im Internet nach “Künstliche Intelligenz Bildung” findet man unter anderem folgende Überschriften:

“In zehn Jahren wird die Schule ganz anders aussehen”

“Künstliche Intelligenz in der Bildung. Ihr Potenzial und der Mythos des Lehrkraftroboters”

“Totale Überwachung in Chinas Schulen: Wenn Kameras jede Gesichtsregung auswerten”

“KI in der Bildung: Wenn der Computer Noten verteilt”

“Besser lernen mit KI-Tutor”

“Künstliche Intelligenz in der Bildung: Wenn das Schulbuch per „eye tracking“ die Aufmerksamkeit des Schülers misst – ein Albtraum!”

Ohne in den Inhalt dieser Beiträge zu schauen, …

Was für eine Vorstellung von KI vermitteln diese Überschriften?

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Einige Überschriften deuten darauf hin, dass der Einsatz von KI das Potenzial hat, unser Bildungssystem zu verbessern. Manche sprechen sogar von sehr gravierenden Veränderungen. Das wirft Fragen auf: Welche Rolle haben die Lehrkräfte in Zukunft? Werden SchülerInnen in Zukunft weniger mit Lehrkräften interagieren und mehr mit KI? Andere Überschriften deuten dagegen darauf hin, dass Lehrkräfte nicht durch Roboter ersetzt werden und dass es Risiken gibt beim Einsatz von KI in der Bildung. Außerdem sprechen einige Überschriften von Überwachungssystemen, die mehr den Eindruck eines Gefängnisses vermitteln als einer Schule.

Überschriften im Internet sind häufig auf eine Art und Weise formuliert, die dazu verleiten, auf einen Link zu klicken. Möglichst sensationelle Formulierungen führen oft zu mehr Klicks, als Formulierungen, die näher an der Realität liegen und werden deshalb oft bevorzugt.

Wir wollen uns hieraus mitnehmen:

Viele von uns haben unsere Vorstellung von KI zu einem Teil auf Grundlage dieser Überschriften gebildet. Das kann zu überspitzten oder einseitigen Vorstellungen von KI führen.

Auch in Science Fiction Geschichten haben wir unterschiedliche Formen von künstlicher Intelligenz kennengelernt:

In der Matrix Filmreihe beispielsweise wird von einer KI erzählt, welche die Menschheit bis auf einen kleinen verbleibenden Rest noch freier Menschen ausgelöscht hat. Der Film beschreibt den letzten Widerstand der Menschen gegen eine bösartige und unmenschliche KI.

Bild, auf dem der Charakter Neo aus dem Film Matrix zu sehen ist.

In den Star Wars Filmen kennen wir Roboter wie C3PO, die sehr menschenähnliche Züge haben und die Menschen unterstützen.

Bild, welches den Charakter C3PO aus den Star Wars Filmen zeigt.

Weitere Beispiele für Filme mit einer künstlichen Intelligenz sind “Terminator”, “2001: Odyssee im Weltraum”, “Blade Runner” & “I, Robot”.

Auffällig ist, dass künstliche Intelligenz in Filmen oft in Form eines Roboters erscheint. Außerdem können viele Darstellungen von KI als bösartig oder emotionslos bezeichnet werden.

Einen weiteren Berührpunkt mit KI haben wir im Internet, wo man häufig auf Überschriften wie diese stößt:

“Superintelligente KI für Menschen unbeherrschbar”

“Künstliche Intelligenz: Wird sie uns eines Tages töten?”

“Künstliche Intelligenz als Bedrohung für den Mensch”

Diese Überschriften sprechen die Angst vor Superintelligenz an. Damit ist eine Form von künstlicher Intelligenz gemeint, welche die menschliche Intelligenz übersteigt. Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen, was dieser Schritt für die Menschheit bedeuten könnte und wann und ob er eintreten könnte. Allerdings ist heutzutage noch keine KI ansatzweise zu so etwas in der Lage.

Insbesondere bei solchen Überschriften kann man sich gut vorstellen, dass viele Menschen aus Interesse darauf klicken. Auf vielen Plattformen führen viele Klicks dann dazu, dass dieser Beitrag mehr Menschen gezeigt wird, was wiederum die allgemeine Vorstellung von KI in diese Richtung beeinflusst.

Wir können jetzt schon vorwegnehmen:

Heutige künstliche Intelligenz ist weit weg von einer Superintelligenz, die für die Menschheit eine Gefahr darstellen könnte.

Welche Berührpunkte zu KI fallen dir noch ein?

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Zusammenfassend halten wir fest:

Über eine Vielzahl an Berührpunkten haben wir uns eine Vorstellung von künstlicher Intelligenz gebildet. Wir werden im Verlaufe des Kurses feststellen, dass sich heutige KI in ihren Eigenschaften und Fähigkeiten nicht mit dieser Darstellung aus Medien und Science Fiction deckt.

Um zu einem besseren Verständnis zu kommen, ergibt es allerdings oft Sinn, sich zunächst die Frage zu stellen:

" Wie beeinflussen diese Darstellungen von KI meine eigene Vorstellung von KI? Was davon entspricht der Realität? "

Schauen wir uns jetzt zwei konkrete Vorstellungen an und versuchen der Realität ein Stück näher zu kommen:

Künstliche Intelligenz = menschliche Intelligenz?

Die erste Vorstellung, die wir uns anschauen wollen, ist:

" Heutige künstliche Intelligenz ist in ihren Eigenschaften ähnlich zu der Intelligenz des Menschen. "

Es gibt (noch) keine Roboter, die sich so verhalten, dass man sie nicht von einem Menschen unterscheiden könnte. Das bleibt erfundenen Geschichten vorbehalten. Aber finden sich grundlegende Eigenschaften der menschlichen Intelligenz, wie zum Beispiel selbstständiges Lernen, Umgang mit neuen Situationen, Problemlösen, usw. genauso in der heutigen künstlichen Intelligenz wieder?

Um einer Antwort auf diese Frage ein Stück näher zu kommen, schauen wir uns ein konkretes Beispiel für eine Anwendung von KI in der Bildung an. Ein spannender Bereich für den Einsatz von KI ist die automatische Korrektur oder Bewertung von Aufgaben.

Automatische Bewertungen von Aufgaben durch eine KI hätten zum einen das Potenzial Lehrkräfte bei der Bewertung von Aufgaben entlastet zu können, indem die Aufgaben komplett oder teilweise von einer KI ausgewertet werden. Zum anderen könnten solche KI-Systeme direkt von den Lernenden genutzt werden, um bearbeitete Aufgaben zu bewerten. Als SchülerIn könnte man zum Beispiel Hausaufgaben direkt von der KI bewerten lassen und würde sofortiges Feedback bekommen, statt auf das Feedback der Lehrkraft warten zu müssen.

Im Folgenden nehmen wir ein sehr vereinfachtes Beispiel an, um die Konzepte leichter verständlich zu machen. In Kapitel 3 lernen wir dann reale Beispiele kennen.

Erkennen von spitzen und stumpfen Winkeln

In der Mathematik können Winkel verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Man unterscheidet unter anderem zwischen den spitzen und den stumpfen Winkeln. Ein spitzer Winkel hat weniger als 90° und ein stumpfer Winkel hat zwischen 180° und 90°.

Beispiele für spitze Winkel
Beispiele für stumpfe Winkel

Künstliche Intelligenz kann uns jetzt dabei helfen, diese zwei Kategorien voneinander zu unterscheiden und damit die Bearbeitung einer Aufgabe automatisch zu bewerten:

Der KI wird ein Foto von einem gezeichneten Winkel gezeigt und diese gibt daraufhin eine Bewertung ab, ob sie im Bild einen spitzen oder stumpfen Winkeln erkennt.

Man kann sich gut vorstellen, dass für diese Aufgabe eine Form von Intelligenz notwendig ist, denn die Bilder und die Zeichnungen können sehr unterschiedlich sein: Zum Beispiel können je nach verwendetem Stift die Linien breiter oder schmaler sein oder die Farben variieren. Genauso können die Lichtverhältnisse und die Bildqualität unterschiedlich sein.

Eine Frage, die wir uns jetzt stellen könnten, ist:

" Wie löst die KI diese Aufgabe und ist es vergleichbar damit, wie das menschliche Gehirn die diese Aufgabe löst? "

Werfen wir dafür einen kurzen Blick in ein spannendes Forschungsfeld, genannt “Adversarial Attack” (zu deutsch etwa “feindlicher Angriff”), bei dem erforscht wird, wie KI-Systeme ausgetrickst werden können. Schauen wir uns ein KI-System an, welches genauso wie unser Beispiel Bilder klassifiziert. In einer Vielzahl an Studien wurde Folgendes getestet und gezeigt:

In den Experimenten wurde ein speziell hergestelltes Rauschen auf das Originalbild gelegt und dann der KI als Eingabe gegeben. Für das menschliche Auge ist zwischen dem Original und dem modifizierten Bild fast kein Unterschied wahrzunehmen. Allerdings wurde dadurch die Einschätzung der KI komplett verändert. In unserem Beispiel würde also das Originalbild zu hoher Wahrscheinlichkeit als “spitzer Winkel” bewertet werden, wohingegen das Bild inkl. Rauschen mit hoher Wahrscheinlichkeit als “stumpfer Winkel” bewertet werden würde.

Für uns als Menschen macht dieses leichte Rauschen im Bild keinen Unterschied. Allerdings ist es möglich, die KI auf diese Art und Weise zu täuschen.

Selbst ohne zu wissen, wie genau die KI innerhalb funktioniert, zeigen diese Experimente, dass die künstliche Intelligenz scheinbar anders “funktioniert” als die Intelligenz eines Menschen und die Aufgabe auf eine andere Art löst.

Worin genau der Unterschied liegt ist nicht leicht zu definieren, aber wir werden im Verlaufe dieses Kurses etwas genauer kennenlernen, worin sich diese beiden Formen von “Intelligenz” unterscheiden.

Aber auch abseits von solchen speziellen Experimenten sind heutige KI-Systeme oft nicht in allen Situationen in der Lage, genauso intelligent zu entscheiden wie ein Mensch.

Fallen dir Beispiele von heutiger KI ein, die in bestimmten Situationen versagen, die für einen Menschen offensichtlich wären.

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Selbstfahrende Autos können zum Beispiel mittlerweile auf Autobahnen sehr zuverlässig steuern, versagen allerdings oft, sobald die Straßenverhältnisse schlechter werden oder der Verkehr dichter wird.

Sprachassistenten können oft nur verstehen, was gesagt wurde, wenn langsam und deutlich artikuliert wurde und versagen, sobald man schneller und undeutlicher redet.

Wir haben zwar noch nicht herausgefunden, in welchen Aspekten sich menschliche und künstliche Intelligenz unterscheiden, aber allein durch diese Beobachtungen können wir annehmen, dass diese Formen von Intelligenz nicht gleichzusetzen sind. Sobald wir in Kapitel 2 herausfinden, was im Inneren einer KI vorgeht, werden wir kennenlernen, worin die Unterschiede genau liegen.

Für den Augenblick ist uns wichtig:

Wir sollten bei künstlicher Intelligenz nicht zu sehr an Eigenschaften menschlicher Intelligenz denken!

KI lernt aus Daten?

Schauen wir uns jetzt eine zweite häufige Vorstellung bei KI an:

" Künstliche Intelligenz lernt aus Daten. "

Vermutlich hast du schon einmal davon gehört. Hiermit ist gemeint, dass Daten die Grundlage des Wissens von KI bilden. Die KI verarbeitet diese Daten und lernt dabei etwas, um eine Aufgabe lösen zu können, wie zum Beispiel das Erkennen von spitzen und stumpfen Winkeln.

Für einen großen Teil von heutiger KI trifft diese Aussage zu. Allerdings gibt es auch Formen von KI, die nicht aus Daten lernen.

Schauen wir uns ein reales Beispiel für ein KI-System an, welches nicht aus Daten gelernt hat: Das adaptive Lernsystem Bettermarks für Mathematik.

Bettermarks ist ein sogenanntes Intelligentes Tutorensystem. SchülerInnen können dort Mathematikaufgaben bearbeiten und bekommen Feedback zu ihren Antworten. Bettermarks verhält sich dabei auf zwei Arten “intelligent”: Zum einen werden Antworten nicht nur auf Richtigkeit geprüft, sondern es werden auch häufige Fehlvorstellungen erkannt. Diese fließen dann ins Feedback mit ein und unterstützen die lernende Person dabei, selbst auf die richtige Lösung zu kommen. Zum anderen versucht Bettermarks die Aufgaben in einer Reihenfolge anzuordnen, die sicherstellt, dass Fehlvorstellungen gelöst werden und Lernziele sinnvoll aufeinander aufbauen. Falls also in einer Aufgabe ein Fehler gemacht wurde, wird sichergestellt, dass in Zukunft eine Aufgabe dran kommt, die dieselbe Fehlvorstellung noch einmal wiederholt.

Für diese intelligenten Eigenschaften hat Bettermarks allerdings nicht aus einem Datensatz gelernt. Stattdessen wurden häufige Fehlvorstellungen und die Lernziele von einer Gruppe an AutorInnen gesammelt und in eine Struktur gebracht. Die Software entscheidet also aufgrund von festgelegten Regeln und Strukturen, die von den AutorInnen und EntwicklerInnen erstellt wurden.

Link zur Webseite von Bettermarks

Das Wissen von Bettermarks stammt also vom Menschen. Dabei hat Bettermarks selbst nie etwas aus Daten gelernt, sondern greift lediglich auf das vom Menschen bereitgestellte Wissen zu. Trotzdem verhält sich Bettermarks eindeutig intelligent und kann ebenfalls als KI-System gewertet werden.

Diese Form von KI kann man als wissensbasierte KI bezeichnen. Dem gegenüber steht die datenbasierte KI.

Wissensbasierte und datenbasierte KI

Künstliche Intelligenz kann in die zwei Teilbereiche aufgeteilt werden:

Wissensbasierte KI arbeitet auf Grundlage von Wissen, welches vom Menschen bereitgestellt wird und in Form von Regeln, Algorithmen, Datenbanken oder Ähnlichem der KI zur Verfügung steht.

Datenbasierte KI hat das Wissen aus Daten gelernt. Der Mensch hat also hier keine konkreten Regeln oder Wissen bereitstellt, sondern lediglich Daten. Für die Entwicklung von datenbasierter KI nutzt man Methoden des maschinellen Lernens (engl. Machine Learning). Diese ermöglichen es Muster in Daten zu erkennen und etwas aus diesen Mustern zu lernen, was dann von der KI genutzt wird.

Heutzutage ist vor allem eine Variante des maschinellen Lernens namens Deep Learning bekannt. Mit Deep Learning werden databasierte KIs trainiert.

Ein System wie Bettermarks ist demnach ein Beispiel für eine wissensbasierte KI. Demgegenüber ist unsere KI zur Klassifizierung von Winkeln von vorher ein Beispiel für eine datenbasierte KI. Hier hat die KI aus einem Datensatz mit vielen Bildern von Winkeln gelernt, diese zu erkennen und einzuordnen.

Wir haben uns in diesem Kapitel angeschaut, was für eine Vorstellung wir haben, wenn wir an künstliche Intelligenz denken. Dabei haben wir festgestellt, dass nicht alles der Realität entspricht.

Der Begriff Künstliche Intelligenz ist mit sehr vielfältigen Vorstellungen verknüpft, die leider oft ein verzerrtes Bild vermitteln. Um das eigene Verständnis von KI zu verbessern, hilft es sich anzuschauen, welche eigenen Vorstellungen man selbst hat und diese kritisch zu hinterfragen.

Nach diesem ersten Kapitel stehen noch einige Fragen offen:

" In welchen Eigenschaften unterscheiden sich künstliche und menschliche Intelligenz? "

" Wie funktioniert das Lernen aus Daten? "

Im nächsten Kapitel schauen wir uns die schon kennengelernte Anwendung von KI zur Klassifizierung von Winkeln in spitz und stumpf genauer an. Wir werden uns damit beschäftigen, wie eine solche KI aus Daten lernen kann und selbst eine solche KI trainieren.