Anfang
Wir starten diesen Kurs mit einer wichtigen Frage:
" Was stelle ich mir unter künstlicher Intelligenz vor? "
Den meisten Menschen ist der Begriff Künstliche Intelligenz oder kurz KI bekannt. Wir kennen ihn aus Internetbeiträgen, Nachrichtenartikeln, Videos, Filmen, usw. Viele von uns können Beispiele von KI nennen: Roboter, Spracherkennung, intelligente Empfehlungen auf Webseiten, …
Über diese Berührungspunkte hat jeder von uns eine individuelle Vorstellung von KI. Aber welche Vorstellungen entsprechen der Realität und welche nicht?
In diesem Kapitel werden wir uns zunächst anschauen, wie KI häufig in unseren Vorstellungen aussieht. Außerdem werden wir anhand von Beispielen aus dem Bereich Gesundheit & Pflege feststellen, dass einige dieser Vorstellungen möglicherweise nicht ganz der Realität entsprechen. In den folgenden Kapiteln werden wir dann genauer darauf eingehen, wie KI funktioniert, was für Möglichkeiten und Grenzen KI hat und wie wir KI im Bereich Gesundheit & Pflege einsetzen wollen.
Berührpunkte mit KI
Sucht man im Internet nach “Künstliche Intelligenz Diagnose” findet man unter anderem folgende Überschriften:
“Wie KI die Medizin revolutioniert”
“Schneller zur Diagnose mit künstlicher Intelligenz”
“Künstliche Intelligenz spürt seltene Krankheiten auf”
“Künstliche Intelligenz: Wer behandelt Patienten in der Zukunft?”
“Künstliche Intelligenz: Kein Ersatz für ärztliche Empathie”
“Künstliche Intelligenz kann bei Melanom-Diagnostik unterstützen”
Ohne in den Inhalt dieser Beiträge zu schauen, …
Was für eine Vorstellung von KI vermitteln diese Überschriften?
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Einige Überschriften deuten darauf hin, dass KI die “Medizin revolutionieren” wird und neuartige Diagnosen möglich macht. Darüber hinaus werfen einige Überschriften die Frage auf, ob KI in Zukunft Arztpersonal “ersetzt”. Andere Überschriften wiederum sprechen von “Unterstützung” für das Arztpersonal.
Überschriften im Internet sind häufig auf eine Art und Weise formuliert, die dazu verleiten, auf einen Link zu klicken. Möglichst sensationelle Formulierungen führen oft zu mehr Klicks, als Formulierungen, die näher an der Realität liegen und werden deshalb oft bevorzugt.
Viele von uns haben unsere Vorstellung von KI zu einem Teil auf Grundlage dieser Überschriften gebildet. Das kann zu überspitzten oder einseitigen Vorstellungen von KI führen.
Auch in Science Fiction Geschichten haben wir unterschiedliche Formen von künstlicher Intelligenz kennengelernt:
In der Matrix Filmreihe beispielsweise wird von einer KI erzählt, welche die Menschheit bis auf einen kleinen verbleibenden Rest noch freier Menschen ausgelöscht hat. Der Film beschreibt den letzten Widerstand der Menschen gegen eine bösartige und unmenschliche KI.
In den Star Wars Filmen kennen wir Roboter wie C3PO, die sehr menschenähnliche Züge haben und die Menschen unterstützen.
Weitere Beispiele für Filme mit einer künstlichen Intelligenz sind “Terminator”, “2001: Odyssee im Weltraum”, “Blade Runner” & “I, Robot”.
Auffällig ist, dass künstliche Intelligenz in Filmen oft in Form eines Roboters erscheint. Außerdem können viele Darstellungen von KI als bösartig oder emotionslos bezeichnet werden.
Einen weiteren Berührpunkt mit KI haben wir im Internet, wo man häufig auf Überschriften wie diese stößt:
“Superintelligente KI für Menschen unbeherrschbar”
“Künstliche Intelligenz: Wird sie uns eines Tages töten?”
“Künstliche Intelligenz als Bedrohung für den Mensch”
Diese Überschriften sprechen die Angst vor Superintelligenz an. Damit ist eine Form von künstlicher Intelligenz gemeint, welche die menschliche Intelligenz übersteigt. Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen, was dieser Schritt für die Menschheit bedeuten könnte und wann und ob er eintreten könnte. Allerdings ist heutzutage noch keine KI ansatzweise zu so etwas in der Lage.
Insbesondere bei solchen Überschriften kann man sich gut vorstellen, dass viele Menschen aus Interesse darauf klicken. Auf vielen Plattformen führen viele Klicks dann dazu, dass dieser Beitrag mehr Menschen gezeigt wird, was wiederum die allgemeine Vorstellung von KI in diese Richtung beeinflusst.
Wir können jetzt schon vorwegnehmen:
Heutige künstliche Intelligenz ist weit weg von einer Superintelligenz, die für die Menschheit eine Gefahr darstellen könnte.
Welche Berührpunkte zu KI fallen dir noch ein?
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Zusammenfassend halten wir fest:
Über eine Vielzahl an Berührpunkten haben wir uns eine Vorstellung von künstlicher Intelligenz gebildet. Wir werden im Verlaufe des Kurses feststellen, dass sich heutige KI in ihren Eigenschaften und Fähigkeiten nicht mit dieser Darstellung aus Medien und Science Fiction deckt.
Um zu einem besseren Verständnis zu kommen, ergibt es allerdings oft Sinn, sich zunächst die Frage zu stellen:
" Wie beeinflussen diese Darstellungen von KI meine eigene Vorstellung von KI? Was davon entspricht der Realität? "
Schauen wir uns jetzt zwei konkrete Vorstellungen an und versuchen der Realität ein Stück näher zu kommen:
Künstliche Intelligenz = menschliche Intelligenz?
Die erste Vorstellung, die wir uns anschauen wollen, ist:
" Heutige künstliche Intelligenz ist in ihren Eigenschaften ähnlich zu der Intelligenz des Menschen. "
Es gibt (noch) keine Roboter, die sich so verhalten, dass man sie nicht von einem Menschen unterscheiden könnte. Das bleibt erfundenen Geschichten vorbehalten. Aber finden sich grundlegende Eigenschaften der menschlichen Intelligenz, wie zum Beispiel selbstständiges Lernen, Umgang mit neuen Situationen, Problemlösen, usw. genauso in der heutigen künstlichen Intelligenz wieder?
Um einer Antwort auf diese Frage ein Stück näher zu kommen, schauen wir uns ein Beispiel für eine Anwendung von KI in der Diagnose an.
Erkennung von Hautkrebs mit KI
Künstliche Intelligenz kann in vielen Bereichen zur Auswertung von Fotos und Videos genutzt werden. In unserem Beispiel geht es um die Diagnose von Hautkrebs:
Der KI wird ein Foto von einem Muttermal (auch Leberfleck) gezeigt und diese gibt daraufhin eine Bewertung ab, wie bedenklich die Form und Farbe ist und ob es sich um ein Anzeichen von Hautkrebs handeln könnte.
Diese Einschätzung wird in den meisten Fällen noch von einer Ärztin oder einem Arzt aufgrund einer Reihe von Merkmalen gemacht. Die sogenannte ABCDE-Regel dient als Gedankenstütze und besagt, dass folgende Eigenschaften auf Hautkrebs hindeuten können, vor allem wenn mehrere gleichzeitig zutreffen:
- Eine asymmetrische Form (Asymmetry)
- Eine unregelmäßige, “verwaschene” Begrenzung (Border)
- Mehrere Farbtöne (Color)
- Ein Durchmesser von mehr als 5 mm (Diameter)
- Zeitliche Veränderung oder hervorgehoben (Evolving / Elevation)
Der medizinische Begriff für Leberflecke bzw. Muttermale ist Nävus (Plural: Nävi).
Man kann sich gut vorstellen, dass für diese Aufgabe eine Form von Intelligenz notwendig ist, denn die Bilder der Leberflecke können sehr unterschiedlich sein, wie man in folgendem Bild sieht.
Zum Beispiel können die Formen der Leberflecke variieren oder die Farben/Texturen der Leberflecke und der umliegenden Haut. Außerdem kann die Beleuchtung und der Kontrast je nach Kamera und Lichtverhältnissen unterschiedlich sein.
Eine Frage, die wir uns jetzt stellen könnten, ist:
" Wie gut ist die Bewertung der KI im Vergleich zu einer Fachärztin oder einem Facharzt? "
Schauen wir uns dafür eine wissenschaftliche Publikation an, in der ein solches System getestet wurde:
In einer wissenschaftlichen Publikation wurde ein Vergleich zwischen Mensch und KI gemacht. Sowohl die KI als auch ärztliches Fachpersonal sollten Leberflecke einschätzen und letztendlich wurde verglichen, welche Einschätzung genauer war.
Das Resultat: Die Einschätzung der KI war vergleichbar gut, wie die Einschätzung eines durchschnittlichen ärztlichen Fachpersonals.
Das klingt sehr vielversprechend und wirft die Frage auf:
" War die KI bei dieser Aufgabe genauso intelligent wie ein Mensch? "
Das Ergebnis dieser Studie deutet auf ein “Ja” hin. Eine Ärztin oder einen Arzt komplett ersetzen kann die KI zwar nicht, da diese noch andere wichtige Aufgaben übernehmen, welche die KI nicht ersetzen kann, aber es wirkt, als ob die KI bei dieser speziellen Aufgabe eine vergleichbare Intelligenz besitzt.
Schauen wir uns eine weitere wissenschaftliche Publikation an:
In dieser Publikation ging es um eine andere Frage:
Wie leicht kann man die KI täuschen, indem man das Bild des Leberflecks leicht manipuliert?
Die Forschenden haben hierfür ein speziell hergestelltes Rauschen auf das Originalbild gelegt und dann der KI als Eingabe gegeben. Für das menschliche Auge ist zwischen dem Original und dem modifizierten Bild fast kein Unterschied wahrzunehmen. Allerdings wurde dadurch die Einschätzung der KI komplett verändert. Das Originalbild wurde zu hoher Wahrscheinlichkeit als “unbedenklich” bewertet, wohingegen das Bild inkl. Rauschen mit hoher Wahrscheinlichkeit als “bedenklich” bewertet wurde.
Dieses Ergebnis lässt uns an der Intelligenz der KI zweifeln.
" Warum lässt sich die KI in diesem Fall so leicht täuschen? Für einen Menschen ist es offensichtlich! "
Aus diesen beiden Beobachtungen können wir annehmen, dass obwohl die KI bei der Diagnose eine ähnliche Leistung erbringt wie medizinisches Fachpersonal, scheint sie anders zu “funktionieren” wie die Intelligenz eines Menschen und die Aufgabe auf eine andere Art zu lösen.
Worin genau der Unterschied liegt ist nicht leicht zu definieren, aber wir werden im Verlaufe dieses Kurses etwas genauer kennenlernen, worin sich diese beiden Formen von “Intelligenz” unterscheiden.
Fallen dir andere Beispiele von heutiger KI ein, bei denen etwas Ähnliches beobachtet werden kann? Also eine KI, die etwas tun kann, was normalerweise ein Mensch macht, aber in bestimmten Situationen versagt, die für einen Menschen offensichtlich wären.
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Nimm dir ein wenig Zeit für die Aufgabe. Wenn du fertig bist, klicke auf 'Weiter'.
Selbstfahrende Autos können zum Beispiel mittlerweile auf Autobahnen sehr zuverlässig steuern, versagen allerdings oft, sobald die Straßenverhältnisse schlechter werden oder der Verkehr dichter wird.
Sprachassistenten können oft nur verstehen, was gesagt wurde, wenn langsam und deutlich artikuliert wurde und versagen, sobald man schneller und undeutlicher redet.
Wir haben zwar noch nicht herausgefunden, in welchen Aspekten sich menschliche und künstliche Intelligenz unterscheiden, aber allein durch diese Beobachtungen können wir annehmen, dass diese Formen von Intelligenz nicht gleichzusetzen sind. Sobald wir in Kapitel 2 herausfinden, was im Inneren einer KI vorgeht, werden wir kennenlernen, worin die Unterschiede genau liegen.
Für den Augenblick ist uns wichtig:
Wir sollten bei künstlicher Intelligenz nicht zu sehr an Eigenschaften menschlicher Intelligenz denken!
KI lernt aus Daten?
Schauen wir uns jetzt eine zweite häufige Vorstellung bei KI an:
" Künstliche Intelligenz lernt aus Daten. "
Vermutlich hast du schon einmal davon gehört. Hiermit ist gemeint, dass Daten die Grundlage des Wissens von KI bilden. Die KI verarbeitet diese Daten und lernt dabei etwas, um eine Aufgabe lösen zu können, wie zum Beispiel das Erkennen von bedenklichen Leberflecken.
Für einen großen Teil von heutiger KI trifft diese Aussage zu. Allerdings gibt es auch Formen von KI, die nicht aus Daten lernen.
Schauen wir uns ein reales Beispiel für ein KI-System an, welches nicht aus Daten gelernt hat: Das System DXplain für die Unterstützung bei medizinischen Entscheidungen.
DXplain unterstützt Arztpersonal, bei der Diagnose von Krankheiten. In einem Webinterface können Symptome oder Befunde eingegeben werden und das System präsentiert daraufhin eine Liste mit möglichen Diagnosen. Das System besitzt eine weitreichende Wissensdatenbank, die über 2600 verschiedene Krankheiten und dazugehörige Symptome beinhaltet. Diese Datenbank wurde von den EntwicklerInnen der Software auf Grundlage zahlreicher Studien und medizinischer Daten erstellt. Nach der Eingabe von Symptomen und Befunden wird diese Wissensdatenbank durchsucht und mögliche Krankheiten werden aufgelistet, mit absteigender Wahrscheinlichkeit.
Das Wissen von DXplain stammt also vom Menschen und ist über die Datenbank verfügbar. Dabei hat DXplain selbst nie etwas aus Daten gelernt, sondern greift lediglich auf das Wissen der Datenbank zu. Trotzdem verhält sich DXplain eindeutig intelligent und kann ebenfalls als KI-System gewertet werden.
Diese Form von KI kann man als wissensbasierte KI bezeichnen. Dem gegenüber steht die datenbasierte KI.
Wissensbasierte und datenbasierte KI
Künstliche Intelligenz kann in die zwei Teilbereiche aufgeteilt werden:
Wissensbasierte KI arbeitet auf Grundlage von Wissen, welches vom Menschen bereitgestellt wird und in Form von Regeln, Algorithmen, Datenbanken oder Ähnlichem der KI zur Verfügung steht.
Datenbasierte KI hat das Wissen aus Daten gelernt. Der Mensch hat also hier keine konkreten Regeln oder Wissen bereitstellt, sondern lediglich Daten. Für die Entwicklung von datenbasierter KI nutzt man Methoden des maschinellen Lernens (engl. Machine Learning). Diese ermöglichen es Muster in Daten zu erkennen und etwas aus diesen Mustern zu lernen, was dann von der KI genutzt wird.
Heutzutage ist vor allem eine Variante des maschinellen Lernens namens Deep Learning bekannt. Mit Deep Learning werden databasierte KIs trainiert.
Ein System wie DXplain ist demnach ein Beispiel für eine wissensbasierte KI. Demgegenüber ist die KI zur Bewertung von Muttermalen ein Beispiel für eine datenbasierte KI. Hier hat die KI aus einem Datensatz mit vielen Bildern von Leberflecken gelernt, diese zu erkennen und zu bewerten.
Wir haben uns in diesem Kapitel angeschaut, was für eine Vorstellung wir haben, wenn wir an künstliche Intelligenz denken. Dabei haben wir festgestellt, dass nicht alles der Realität entspricht.
Der Begriff Künstliche Intelligenz ist mit sehr vielfältigen Vorstellungen verknüpft, die leider oft ein verzerrtes Bild vermitteln. Um das eigene Verständnis von KI zu verbessern, hilft es sich anzuschauen, welche eigenen Vorstellungen man selbst hat und diese kritisch zu hinterfragen.
Nach diesem ersten Kapitel stehen noch einige Fragen offen:
" In welchen Eigenschaften unterscheiden sich künstliche und menschliche Intelligenz? "
" Wie funktioniert das Lernen aus Daten? "
Im nächsten Kapitel schauen wir uns die schon kennengelernte Anwendung von KI zur Bewertung von Leberflecken genauer an. Wir werden uns damit beschäftigen, wie eine solche KI aus Daten lernen kann und selbst eine solche KI trainieren.